Freitag, 7. August 2009

Berufserfahrung ist nicht alles...

Mitten in der Wirtschaftskrise die Agentur für Arbeit zu besuchen, scheint keine Schande zu sein. Millionen von Menschen tun das derzeitig, sei es, weil sie ihren Job schon verloren haben oder Angst haben, ihn nach Auslaufen der Kurzarbeit zu verlieren.


Mich führte der Weg in die Agentur, weil ich mir von meiner persönlichen Beraterin detaillierte Informationen in Richtung Existenzgründung und Hilfe zur Existenzgründung durch die Agentur für Arbeit und andere öffentliche Einrichtungen erhofft hatte. Meinen Arbeitsplatz möchte ich mir durch die Existenzgründung langfristig selbst schaffen und dem Staat höchstens für die Anfangszeit, bis die Sache ins Laufen gekommen ist, finanzielle Mittel abverlangen.


Doch zu einer echten Beratung kam es gar nicht. Die Dame vom Amt war noch ein Relikt aus alten Tagen. Anschreiben und Aushänge der Arbeitsagentur wiesen sie zwar als Beraterin aus, aber sie erledigte lediglich Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin. Und das nicht einmal gut. Sie war freundlich und unfähig.


Während unserer Sitzung, die sich über 75 Minuten erstreckte, tat sie nichts anderes, als meine Daten im Bestand der Arbeitsagentur zu aktualisieren. Besonders lästig erscheint mir an dieser Prozedur, dass ich diese Daten erstens bereits per Formular der Agentur übermittelt hatte und zweitens die Art und Weise, wie sie die Daten eintrug.


Man macht sich gerne darüber lustig, wenn Menschen am PC mit dem Zweifingersuchsystem etwas tippen. Aber meine "Beraterin" war nicht einmal dazu in der Lage. Sie benutzte nur den rechten Zeigefinger.


Zuerst schrieb sie einen kompletten Satz oder Absatz ausnahmslos in Kleinbuchstaben mit dem rechten Zeigefinger. Dann legte sie den linken Zeigefinger auf der Shift-Taste ab. Mit der rechten Hand an der Maus markierte sie dann einen Kleinbuchstaben, um ihn durch einen Großbuchstaben zu ersetzen. Diese Prozedur wiederholte sich, bis der gesamte Texte innerhalb der Eingabemaske durchkorrigiert war.


Doch selbst nach dieser aufwendigen Prozedur enthielt der von ihr geschriebene Text viele, viele Fehler. Das Schreiben von "dass" mit Doppel ß gehört zu den schlimmeren. Ich kann mich nicht entsinnen, dass "dass" jemals als "daßß" geschrieben wurde, egal zu welcher Zeit und vor welcher Rechtschreibreform.


Ich frage mich, wie diese Dame es geschafft hat, in der Arge eingestellt zu werden. Sie ist Mitte 50. Gegen einen frühen Einstieg spricht, dass früher zu vielen Ausbildungsverhältnissen das Erlernen des 10-Finger-Tippens an der Schreibmaschine gehörte. Gegen einen späteren Einstieg spricht alles andere.


Übertroffen wurde ihr fehlendes Rechtschreibvermögen nur noch durch ihre mangelnde Beratungskompetenz und ihr fehlerhaftes Fachwissen. Es kostete mich ernsthaft einiges an Überzeugungskraft, dass sie nicht "Bachelor" als Berufsbezeichnung in das dafür vorgesehene Feld eintrug. Sie war einerseits verwundert, dass ich mit dem Bachelor die Uni verlassen werde, weil sie der Meinung war, dass das fortan nur mit dem Master möglich sei. Andererseits sollte ich mich bei Unternehmen um einen Arbeitsplatz als Bachelor bewerben.


Meinen Wunsch, mich selbstständig zu machen und keine Bewerbungen zu schreiben, hatte sie schlichtweg ignoriert. Erst als ich argumentierte, dass sich früher auch niemand um einen Arbeitsplatz als Diplom bewarb, konnte sie überzeugen und brachte mich dazu, eben eine Bewerbung um einen Arbeitsplatz als Diplom zu schreiben. Diesen Text lesen Sie hier.


Interessant war auch ihr "Rat", doch mit der Selbstständigkeit zu warten, weil doch mein Abschlusszeugnis nicht schlecht sein wird. Dazu bleibt nur zu sagen, dass die Zeugnisse meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen nicht schlechter sind und die Arbeitsplätze für Geisteswissenschaftler nicht gerade auf Bäumen wachsen. Eigentlich sollte es doch der Agentur und ihren Mitarbeitern eher am Herzen liegen, wenigstens einen davon frohen Mutes und mit einem tragfähigen Konzept auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten, statt ihm dies auszureden.


Man merke: Das System reproduziert sich selbst, überall. Die unfähigsten Personen erscheinen ihm als treueste Diener. Und es tut weh, heute die Meldung zu lesen, dass etwa 3,4 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln verschwendet werden, weil die Bundesagentur für Arbeit für solch unqualifiziertes Personal auf einen Schlag auch noch viel zu leistungsfähige Rechner ordert...


Selbst mit einem dieser überdimensionierten Hochleistungscomputer wird meine "Beraterin" ihre Arbeit weder besser noch schneller erledigen.



1 Kommentar:

  1. Hallo Vornamens-Vetter!
    Ich kann dir nur den Rat geben, den ein US-Podcaster seinen Hörern stets mit auf den Weg gibt: "Get a Government job!"
    Ernsthaft: Es gibt nichts Besseres, als Staatsdiener zu sein. Und das Schönste daran ist: Man muss nicht kundenorientiert arbeiten, denn niemand erwartet Effizienz von einem Staatsunternehmen.

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